Freude, Dankbarkeit und Angst zugleich - ein Applaus ist keine Selbstverständlichkeit

Am Montag, dem 23. Oktober 2023, wurde in Hannover laut und lange applaudiert. Der APPLAUS galt denen, die „Orte schaffen, an denen Menschen Musik erleben, Musikkultur ausleben und Gemeinschaft finden: Die Betreiber*innen von Livemusikspielstätten.“ (Pressemitteilung APPLAUS).

Bereits seit 2013 würdigt der APPLAUS, der höchstdotierte Bundeskulturpreis der Initiative Musik, Livemusikspielstätten und Konzertreihen für ihre künstlerisch herausragenden Musikprogramme, ihre kulturelle Exzellenz, ihre Wirkkraft sowie ihre soziokulturelle Bedeutung. 10 Jahre APPLAUS! Danke, dass ihr schon so lange applaudiert und uns Livemusikspielstätten Raum für Anerkennung und Austausch bietet.

In diesem Jahr wurden insgesamt 96 Auszeichnungen von Kulturstaatsministerin Claudia Roth verliehen. Das LOCH erhielt den APPLAUS in der höchsten Kategorie „Beste Livemusikprogramme“ und wurde mit einem Preisgeld von 50.000 € ausgezeichnet. Herzliche Glückwünsche gehen auch an unsere Kolleg*innen der INSEL | Kultur im ADA, die ebenfalls zurecht ausgezeichnet wurden.

Der APPLAUS fühlt sich an wie ein Ausflug ins Paralleluniversum. Ein Universum voller Hoffnung und Aufbruchsstimmung, in dem Kultur geschätzt wird und das alle Kulturschaffenden zu einem riesigen Freudentanz zusammenbringt. Ein Universum in der Kulturarbeit als Bereicherung verstanden wird. Wo wir das vorhandene Potenzial aus Kunst, Kultur, Bildung und Gemeinschaft in den Dialog bringen und vernetzen können, in dem wir kreative Impulse setzen und die Entwicklung der Stadtgesellschaft bereichern. Hier kann das LOCH noch LOCH sein – eben nicht nur ein gestaltbarer Raum für Kultur, sondern vielmehr ein dynamischer Schmelztiegel, der die Kultur- und Kunstszene der Region auf nationaler Ebene repräsentiert und zur Teilhabe auffordert.

Der APPLAUS tut gut und lässt die realen Herausforderungen, die seit Jahren unverändert wie ein Elefant in der Schwebebahn bestehen, für einen Moment in den Hintergrund rücken. Unbezahlte Überstunden, prekäre Lohn- und Gagenverhältnisse, leidenschaftliche Selbstausbeutung und eine rückständige und intransparente Förderpolitik. Aber wie gut, dass es den APPLAUS gibt. Da braucht es dann keine nachhaltigen sowie bedarfsorientierten kulturpolitischen Konzepte mehr. Wir stopfen die entstandenen Löcher einfach mit dem Preisgeld. Wer Preise gewinnt, braucht kein sicheres Fundament. Planungssicherheit ist doch auch irgendwie langweilig. Da verhält es sich doch wie mit der schon letztes Jahr erwähnten Sahnetorte, eine Kirsche auf der Sahnetorte ist ohne Torte halt auch nur eine Kirsche.

Sarkasmus beiseite. Preise sollten nicht dazu da sein, politische Versäumnisse auszugleichen. Preise wie der APPLAUS sollten, und damit wiederholen wir uns, eigentlich die Kirsche auf der Sahnetorte sein, ein Leckerli, eine Belohnung, einfach dieses kleine Extra. Oder um es ohne Metaphern auszudrücken, sollte das Preisgeld dazu dienen, unser Programm weiter auszubauen, zukünftige Bedarfe zu planen oder sogar eine Bonuszahlung für unsere Mitarbeitenden zu ermöglichen. Stattdessen geht das Preisgeld zu 100% in den Haushalt 2023 des Kulturzentrums und wird dafür genutzt, ausbleibende Förderungen aufzufangen. Für die Zukunft bleibt wieder nichts außer Unsicherheit.

Somit verkommen Preise zu existenzsichernden Maßnahmen, welche eigentlich kulturpolitische Hausaufgabe sein sollten. Dieses Jahr hat nochmal mehr gezeigt, dass ein APPLAUS keine Selbstverständlichkeit ist. Viele bekannte Spielstätten wurden unerwartet leider dieses Mal nicht ausgezeichnet. Das lässt für uns vor allem eine Frage offen:  Wer applaudiert für uns, wenn der APPLAUS mal nicht da ist?

Foto ©Martin-Bliedung

Wuppertal darf sich gleich über 2 Preisträger*innen freuen. Das Team vom LOCH und das Team der INSEL bei der Preisverleihung im Pavillon Hannover.