Phillip Dornbusch – Saxophon / Klarinette
Johanna Summer – Klavier
Johannes Mann – Gitarre
Roger Kintopf – Bass
Phillip Dornbusch ­ – Drums

Die Corona-Krise geht zurzeit nicht gerade pfleglich mit der Kultur um. Zum zweiten Mal eine Vollbremsung, was nicht wenige der Betroffenen sogar an ihrer Daseinsberechtigung zweifeln lassen. Die ewige Relevanzdiskussion beschäftigt gerade solche, die sich in der Schublade „Jazz“ eingeordnet haben. Phillip Dornbuschs Rezept dagegen ist so simpel wie naheliegend: die Welt einfach ein kleines Stückchen besser zu machen. „Ich möchte mit meiner Musik bestimmte Probleme ins Bewusstsein rufen“, erklärt der 26-jährige Tenorsaxofonist seinen eingeschlagenen Weg. „ ́Mouning` zum Beispiel habe ich geschrieben, als im Juli 2019 das Schiff „Sea-Watch 3“ mit all den Flüchtlingen in Italien festgesetzt wurde. Das hat mich sehr bewegt, und aus diesen Gefühlen heraus ist das Stück entstanden. Wenn wir es live spielen, stelle ich mir vor, dass sich das Publikum mit der Geschichte auseinandersetzt. Und so möchte ich meinen Teil dazu beitragen, dass sich Dinge in eine andere
Richtung bewegen.“
Da überlegt einer wirklich, warum er sich auf eine Bühne stellt, wieso es sich lohnen sollte, in einen imaginären Wettbewerb mit tausenden von gut ausgebildeten Saxofon-Kolleginnen und -Kollegen zu treten, und mit welchen Konzepten man dann aus dieser anonymen Masse herausstechen könnte. Nein, das Rad neu erfinden, das wolle er gar nicht, sagt der 26-Jährige, der in Berlin-Schöneberg lebt und aus Stadthagen bei Hannover stammt. Coltrane bleibe unerreicht, ebenso wie Lester Young oder aus der jüngeren Generation einer wie Chris Speed. Er habe sich auch gerne von starken Musikerkollegen wie Niels Klein, unter dessen Dirigat Phillip Dornbusch seit 2018 im Bundesjugendjazzorchester den Saxofonsatz bereichert, Philipp Gropper, Pablo Held oder Uli Kempendorff inspirieren lassen, aber auch von Lehrern wie Peter Weniger, Greg Cohen, Julia Hülsmann, Jörg Achim Keller, Marc Müllbauer, Gregoire Peters oder Sebastian Gille. Sie alle lernte er im Laufe des Studiums am Jazzinstitut Berlin kennen und schätzen. Sie zeigten ihm Wege auf, die er jedoch bewusst alleine gehen wollte.

Wenn Dornbusch spielt, dann tut er dies nicht unbedingt nach Schema F. Seine Maximen lauten: experimentieren, ausprobieren, tunlichst Wiederholungen vermeiden. „Da bin ich viel zu untheoretisch. Ich schreibe lieber aus Stimmungen heraus.“ Weniger Noten. Einfach vom Gefühl und der Tagesform treiben lassen. So kommt es vor, dass ein und dasselbe Stück regelmäßig anders
klingt, in Tonart, Rhythmus und harmonischen Variationen. Dafür braucht es offene, flexible Gleichgesinnte, die noch dazu ihr Instrument exzellent beherrschen. Deshalb dauerte es wesentlich länger als bloß einige Telefonate, um „Projektor“ zusammenzustellen, jenes junge Forscher-Quintett mit der Pianistin Johanna Summer, dem Gitarristen Johannes Mann, dem Bassisten Roger Kintopf und dem Drummer Philip Dornbusch (der kurioserweise nicht verwandt mit dem Mann am Tenorsaxofon ist; der winzige Unterschied liegt beim „l“ im Vornamen), das nun mit „Reflex“ (Double Moon/inakustik) ein Werk veröffentlicht, das auch für die erfolgserprobte Jazzthing Next Generation ein neues Kapitel aufschlägt. Die aktuelle Folge ist tatsächlich ein Album wie ein Reflex, das erste vielleicht, das nicht mit fertigen Konzepten an den Start geht, sondern wie ein Rohling anmutet, den sich jeder nach Gutdünken zurechtbiegen, schleifen oder klopfen kann. „Chef“ Dornbusch komponiert selbstredend mit Noten, schreibt bestimmte Parts ziemlich exakt auf, um den Grundgedanken des jeweiligen Stücks zu verfestigen, lässt aber mindestens genauso viel offen. Der Saxofonist spricht in diesem Zusammenhang häufig vom „Charakter der Musik“ oder von der „Atmosphäre“, ermuntert seine Mitstreiter zum völlig freien Spiel wie zu unvorhersehbaren Solos. Dornbusch erweist sich damit als der etwas andere Architekt. „Ich zeichne den Plan für ein Haus, den Grundriss, den Kamin und bestimmte Zimmer. Den Rest dürfen die anderen mit all ihrer Kreativität hinzufügen.“ Die musikalische Renaissance des Bauhaus-Stils gewissermaßen – und hoffentlich ab März auch wieder live zu bestaunen. Man würde sonst wirklich etwas verpassen…