Jean Louis Matinier – Akkordeon
Kevin Seddiki – Gitarre
Der Akkordeonist Jean-Louis Matinier ist seit langem in unterschiedlichen Formationen bei ECM-Aufnahmen präsent; mit den Gruppen von Anouar Brahem (auf den Alben Le pas du chat noir und Le voyage de Sahar), Louis Sclavis (Dans la nuit) und François Couturier (Nostalghia, Tarkovsky Quartett) sowie im Duo mit Marco Ambrosini (Inventio). Nun folgt die erste Dokumentation eines neuen Projekts mit dem Gitarristen Kevin Seddiki, dessen weitreichende musikalische Vorstellungskraft der von Matinier vollkommen entspricht.
Seddiki, der hier sein ECM-Debüt gibt, studierte zunächste klassische Gitarre bei Pablo Márquez und erweiterte sein “Spielfeld” über die Jahre, in Zusammenarbeit mit vielen improvisierenden Musikern quer durch die Idiome – von Jazz bis hin zu transkulturellen Projekten.
Beide trafen sich erstmals vor zehn Jahren in der französischen Abtei Royaumont, die lange Zeit als ein Zentrum für interkulturellen Austausch und Studium galt. Jean-Louis Matinier gehörte später zu einer Gruppe, die Kevin Seddiki mit dem Schlagzeuger Bijan Chemirani, der Sängerin Maria Simoglou und dem Gambenspieler Paolo Pandolfo zusammengestellt hatte. Später traten Matinier und Seddiki im Trio mit Chemirani auf. “Je mehr wir zusammen spielten, desto klarer wurde uns, dass wir als Duo in einen tieferen musikalischen Dialog einsteigen würden und dabei die Klänge und Farben sowie die orchestralen Möglichkeiten unserer Instrumente erkunden können.”
Der Ansatz, den sie seither als “weltoffene Kammermusik” beschrieben haben, entfaltete sich ganz natürlich im Laufe der Jahre. Seddiki: “Wir trafen uns regelmäßig zum Spielen, in Frankreich oder in Deutschland. Wir nahmen uns Zeit, um an der Musik zu arbeiten, Ideen einzubringen und uns auf Raum, Texturen und Balance zu konzentrieren.” Auf diese Weise kam das Repertoire für Rivages nach und nach zusammen. “Wir können gemeinsam ein bereits existierendes Stück wie Faurés “Les Berceaux” spielen oder aber eine Komposition um einen Rhythmus und eine Textur herum aufbauen. “In C” ist solch ein Beispiel dafür.”
Seddikis Herangehensweise an den Rhythmus – und die bisweilen perkussive Natur seines Gitarrenspiels – wurden durch seine Studien der iranischen Handtrommel Tombak oder Zarb, die er auch im Konzert spielt, beeinflusst. Eine besondere Affinität zum Timbre und den atmenden Klängen des Akkordeons sowie des Bandoneons zeichnete sich früh in seiner Biographie ab; so begleitete er bereits den argentinischen Bandeonisten Dino Saluzzi; und auf seinem ersten Album als Leader (Il Sentiero, 2012) war Daniele Di Bonaventura zu hören.
Das Zusammenspiel mit Matinier erwies sich als im besten Sinne “einfach” und von großer Evidenz. “Wir teilen ganz bestimmte Vorstellungen, was Klang und Rhythmus betrifft.”
Die beiden Musiker bewegen sich frei durch ein breites Spektrum von Musikstilen und Stimmungen – das Eröffnungsstück auf Rivages beispielsweise greift sowohl auf eine traditionelle bulgarische Melodie als auch auf ein Thema von Schumann zurück – oder wagen den Sprung in die totale Improvisation. Auf dem vorliegenden Album sind “Miroirs”, “Feux Follets” und das Solo-Gitarrenstück “Derivando” reine Improvisationen, mit einem ausgeprägten Gefühl für Form und Textur.
Kevin Seddiki stellt fest: “Es ist sehr selten, dass man sich an diesem Ort zwischen notierter und improvisierter, zwischen alter und neuer Musik trifft … mit viel gemeinsamem Vokabular, das uns eint.”
Jean-Louis Matinier, der in Ensembles von kleinen Gruppen bis hin zu Orchestern gearbeitet hat, als Mitglied des Orchestre National de Jazz in Frankreich spielte und Juliette Gréco auf zahlreichen Tourneen begleitete, schätzt die Herausforderungen des Duo-Formats. Zu seinen weiteren Duopartnern gehören Marco Ambrosini, Renaud Garcia-Fons und Michael Riessler. Wie er einmal bemerkte, ermögliche die Beschränkung auf ein Duo “größere Freiheit, eine unmittelbare Reaktion, einen totalen Dialog, eine Wertschätzung der Stille und der Zeit.”
Rivages wurde im April 2018 im Auditorio Stelio Molo RSI in Lugano aufgenommen und von Manfred Eicher produziert.